Paul Krugman schreibt:
Für die morgige Kolumne habe ich das ursprüngliche Stillhalteabkommen von Mai 2010 angeschaut um zu sehen, was die Troika zu Beginn der Restriktionspolitik gefordert und was sie prognostiziert hatte, und was dann tatsächlich geschehen ist.
Vorweg: Ich treffe oft Leute die glauben, dass Griechenland niemals eine ernsthafte Restriktionspolitik durchgeführt hat. Vermutlich basiert das auf Klischees über nationales Verhalten oder dergleichen, denn tatsächlich sind die Zahlen sehr beeindruckend. Die folgende Graphik gibt die prognostizierten und die tatsächlich realisierten Staatsausgaben (ohne Zinszahlungen) sein 2010. Weil die Troika ihre Forderungen immer weiter verschärft hat, waren die griechischen Ausgaben deutlich niedriger als prognostiziert -- die Restriktionspolitik war wesentlich härter als zunächst anvisiert worden war.
Wie kann es also sein, dass Griechenland immer noch Schuldenprobleme hat? Das ursprüngliche Abkommen ging von einer kurzen und nicht besonders ausgeprägten Rezession aus, die dann in einen Aufschwung übergehen sollte -- nichts wie die tatsächlich erfolgte Depression und Deflationierung. Natürlich hat der Zusammenbruch bei Bruttosozialprodukt die Steuereinnahmen reduziert und den Schuldenstand (Staatsschulden/GDP) erhöht.
Den Griechen sind die falschen wirtschaftspolitischen Maßnahmen ("expansive Restriktionspolitik" wie Krugman das ironisch nennt) von der Troika aufgezwungen worden. Damit trägt die Troika ein gerüttelt Maß an Verantwortung für die gegenwärtige Lage. Die Griechen haben brav ihre Hausaufgaben gemacht und sich nicht gewehrt. Nun tun sie es. Ich finde das nicht verwunderlich.Übrigens: Die Arbeitslosigkeit sollte einen Spitzenwert von 15 Prozent nicht überschreiten und keineswegs 28 Prozent erreichen. Wie hat die Troika sich bloß so verrechnen können? Im Frühjahr2010 haben die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission mit voller Überzeugung die These von der expansiven Restriktionspolitik vertreten, und dass Ausgabenkürzungen der griechischen Wirtschaft nicht schaden würden, weil dann wie von Feenhand das Vertrauen in die Zukunft wiederhergestellt würde. Der IMF ist nicht so weit gegangen, aber hat einen unrealistisch geringen Multiplikator angesetzt, der aus historischen Phasen der Restiktionspolitik, aber ohne Berücksichtigung der monetären Gegebenheiten abgeleitet worden war. Genau die selben Leute, die die Wirkungen der Restriktionspolitik so völlig falsch gesehen haben, ermahnen die Griechen nun, realistisch zu sein.
Markus Söder meint im Spiegel-Interview:
Die Forderung nach einem Schuldenschnitt bringt nichts. Die Reformen müssen fortgeführt werden. Denn alle weiteren Auszahlungsraten hängen doch davon ab, ob Athen die erforderlichen Bedingungen einhält. Das gilt schon für die nächste Rate von zehn Milliarden Euro. Die kann nur gezahlt werden, wenn Griechenland die Verträge einhält. An dieser Stelle ist Konsequenz erforderlich.Ich finde das nicht richtig. Wenn man falsche Ratschläge gegeben und deren Befolgung erzwungen hat, muss man auch die Verantwortung dafür tragen. Ich würde mich weigern, eine Fehlbehandlung fortzusetzen, die entgegen den Erwartungen des Arztes keine Besserung, sondern tatsächlich eine Verschlechterung gebracht hat. Herr Söder würde sich vermutlich, wie jeder vernünftige Mensch, genauso verhalten. Die bisherige Politik sollte nicht, wie Söder das möchte, fortgesetzt werden. Sie hat ja nicht nur in Griechenland versagt, und auch Deutschland ginge es besser, wenn vernünftige Konjunkturpolitik gemacht würde. Wir brauchen nicht nur eine europäische Geldpolitik, sonder auch eine europäische Fiskalpolitik. Der Vertrag von Maastricht schließt jedoch eine sinnvolle Fiskalpolitik aus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen