Montag, 23. Februar 2015

Die Schuldenbremse schafft Fehlanreize

Ich war immer gegen die Schuldenbremse, vor allem deshalb, weil die Schuldenbremse eine sinnvolle Konjunkturpolitik mittels Fiskalpolitik ausschließt. Das fand ich leichtsinnig. Konjunktursteuerung muss dann zwangsläufig über die Geld-und Zinspolitik erfolgen, was besonders im Niedrigzinsbereich nur schlecht funktioniert und außerdem  unter Allokationsaspekten sehr nachteilig ist. (Nur bei wenigen Industrien, etwa der Bauindustrie, ist die Nachfrage und die Beschäftigung signifikant zinsabhängig. Die Konjunktursteuerung erfolgt dann primär über diese Industrien und zieht dann andere Bereiche nach. Das verzerrt die Industriesstruktur.  Bei niedrigen Zinsen wird die Bauindustrie aufgebläht, bei hohen Zinsen bricht sie zusammen. Die anderen Industrien werden nur indirekt betroffen.  Es ist wie wenn man bei einem Auto nur ein Rad für Antrieb und Bremse nutzt.)

Die jetzige Entwicklung zeigt nun aber, dass nicht nur diese Probleme bei der Schuldenbremse bestehen, sondern dass die Schuldenbremse zudem massive Fehlanreize für die Politiker erzeugt.


1. Durch Verkauf von Staatsvermögen kann man den Staatshaushalt ausgleichen. Die Schuldenbremse führt deshalb zu einer Bevorzugung von Privatisierungslösungen selbst dann, wenn diese unwirtschaftlich sind. Dieser Gesichtspunkt der schwarzen Null steht wohl hinter den Projekten zur Privatisierung von Bahn und Post. Bahn und Post sind Wolfgang Schäubles Andy Warhols. Es ist aber ökonomisch überhaupt nicht klar, ob diese Privatisierungen volkswirtschaftlich sinnvoll sind, und das geht auch nur so lange bis alles privatisiert ist.

2. Öffentliche Investitionen sollten sinnvollerweise mit Krediten finanziert werden. Um das zu machen, muss man die Schuldenbremse umgehen, indem man Unternehmungen zwischenschaltet, die sich dann an Stelle des Staates verschulden, typischerweise zu wesentlich höheren Kosten. Dann werden aus den Staatsschulden Schulden von Unternehmungen, die sich im Staatsbesitz befinden. Dieser Finanzierungstrick verbirgt also Staatsschuleden, die ja vorhanden sind, egal ob man ein staatliches Unternehmen zwischenschaltet oder nicht. Dies wird im Augenblick im Zusammenhang mit der Planung einer Bundesfernstraßengesellschaft von Schäuble und Gabriel in die Tat umgesetzt. Deutschland ist dabei nicht allein, denn die Schuldengrenzen von Maastricht erzwingen ähnliche Praktiken auch in anderen europäischen Ländern. Hat man diese Unternehmungen einmal eingerichtet, so kann man sie dann auch verkaufen anstatt für die Sanierung von Schulen Krankenhäusern und Kasernen Schulden zu machen (Punkt 1 oben), egal ob das volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht.

Nach diesem Muster kann man übrigens sehr viele Schulden verschwinden lassen, man muss nur die Schulen, Universitäten, Krankenhäuser  und Feuerwehren in selbständige Unternehmungen ausgliedern und am besten gleich privatisieren. Deren Leistungen werden dann teurer, aber es treten keine Staatsschulden im Zusammenhang mit den in diesen Bereichen notwendigen Investitionen auf. 

Nebenbei: Die Wiedervereinigung hätte ohne ausgelagerte Sonderhaushalte, also mit massiver Staatsverschuldung, nicht finanziert werden können.

3. Es kann sinnvoll sein, staatliches Vermögen zu bilden, z.B. in Form von Unternehmungsbeteiligungen oder Wertpapieren - auch ausländischen Wertpapieren. Der Finanzwissenschaftler Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717-1771) war sogar der Meinung dass die Haupteinnahmequelle des Staates nicht aus Steuern, sondern aus Erträgen der staatlichen Besitztümer bestehen solle. In seinem Buch über Steuern und Abgaben, §3 schreibt er:  
Der Aufwand des Staates muss zuförderst aus seinem unmittelbaren Vermögen bestritten werden.
Das ist eine ökonomisch sinnvolle Position. In dem Ausmaß, in dem der Staat über Unternehmensbeteiligungen Einnahmen erzielt, können die Steuern (insbesondere auch für die geringeren Einkommen) reduziert werden.

Eine Vermögensbildung des Staates mit dem Ziel, Steuereinnahmen teilweise durch Kapitalerträge zu ersetzen wird von dem Finanzwissenschaftler Giacomo Corneo vorgeschlagen. Er sieht darin eine realistische Möglichkeit, der sich dramatisch zuspitzenden Vermögenskonzentration und Einkommensungleichheit entgegenzuwirken. Ich halte dies für einen interessanten und bedenkenswerten Vorschlag. Die Schuldenbremse schließt dies aber von vornherein aus -- und viele andere Möglichkeiten, über die dann nicht einmal mehr nachgedacht wird.

Kurz und gut: Die Finanzwissenschaftler schreiben viel über Anreizwirkungen von allen möglichen gesetzlichen Regelungen. Die Anreizwirkungen der Schuldenbremse werden aber, soweit ich sehe, kaum diskutiert.

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