In einer interessanten Untersuchung gehen
Wir testen diese Hypothese anhand vollständiger Daten zum Arbeitsangebot von Hollywood-Filmstars von 1927 bis 2014. Änderungen der Grenzsteuersätze in hohen Steuerklassen haben keinen signifikanten Einfluss auf die Anzahl der Filme, die ein Filmstar pro Jahr dreht. In Jahren mit hohen Steuern produzieren die Stars jedoch mehr hoch bewertete Filme mit preisgekrönten Regisseuren, wobei sie möglicherweise prestigeträchtige Filme gegen finanzielle Gewinne eintauschen.
Mit anderen Worten: Die Arbeitsleistung (Zahl der Filme) ändert sich durch schärfere Besteuerung nicht, jedoch verbessert sich die Qualität der Filme.
Dass die Arbeitsleistung nicht zurückgeht und die Qualität erhöht wird war zu erwarten, denn bei der Bezahlung von Superstars handelt es vermutlich um Selektionslöhne, eine spezielle Art von Effizienzlöhnen (siehe hier und hier). Solche Löhne dienen nicht der Kompensation von Arbeitsleid sondern sind so bemessen, dass sie konkurrierende Lohngebote anderer Interessenten übertreffen. Die Studios wählen die Entlohnung unter dem Gesichtspunkt, dass eine höhere Bezahlung es ermöglicht, ein größeres und qualitativ besseres Bewerberfeld in Betracht zu ziehen und entsprechend erfolgreichere Filme zu produzieren. Die Bezahlung wird dann letztlich so festgesetzt, dass die finanziellen Kosten höherer Bezahlung zwecks besserer Besetzung gerade durch die zusätzlichen Einnahmen wettgemacht werden, die durch die so ermöglichte bessere Filmqualität erzielt werden können. Kurz: Die Filmstudios konkurrieren um die Qualität der Schauspieler. Das treibt die Entlohnung der besonders guten - der Superstars - in die Höhe.
Wenn die Besteuerung erhöht wird, bleiben die bestverdienenden Schauspieler weiterhin die bestverdienenden Schauspieler. Sie werden zwar höher besteuert, ihre Rangfolge nach Entlohnung bleibt jedoch erhalten. Diese Schauspieler schauspielern nicht des Lebensunterhalts willen sondern aus Neigung, aus künstlerischer Berufung und wegen der künstlerischen Anerkennung und auch um des künstlerischen Ruhmes und Erfolgs willen. Insofern ist nicht verwunderlich, dass die Zahl der Filme bei Erhöhung der Besteuerung nicht zurückgeht. Kenison und Peralta veranschaulichen dies mit sehr schönen Beispielen. Sie erwähnen z.B. dass George Clooney eine Gage von 3 Dollar für das Schreiben, die Regie und die Hauptrolle in "Good Night, and Good Luck" akzeptiert hat, ein Film, der später für 6 Oscars nominiert wurde.
Jedoch verringert eine höhere Besteuerung die Selektionswirkung höherer Lohngebote, denn diese werden zum Teil weggesteuert und erreichen damit die Schauspieler nur in geringerem Maße als bei niedrigerer Besteuerung. Damit gewinnen andere Gestaltungen des Arbeitsumfelds größeres Gewicht auch bezüglich der Selektionswirkungen: Eine bessere Ausstattung, ein besserer Regisseur oder eine bessere Filmmusik, beispielsweise, können einen Superstar dann überzeugen, ein in diesen Hinsichten besseres Projekt gegenüber einer finanziell attraktiveren vorzuziehen. Entsprechend werden die Studios diese Aspekte stärker bei Ihrer Planung berücksichtigen. Wenn die Wirkung höherer Bezahlung durch höhere Besteuerung beschnitten wird, werden die anderen selektionsrelevanten Aspekte in stärkerem Ausmaß gewichtet. Das macht verständlich warum die Filmqualität durch höhere Besteuerung positiv beeinflusst wird. Wie die Autoren bemerken, legt dieses Reaktionsmuster nahe: Hohe Steuern führen dazu, dass gut verdienende Künstler Qualität gegenüber lukrativeren "Blockbuster"-Filmen bevorzugen.
Die Verfasser erwarten ähnliche Ergebnisse bei den Spitzenverdienern. Ich würde das ebenfalls erwarten, z.B. bei Spitzenmanagern.
Angebots-Nachfrage-Theorie und Selektionslöhne
Die Verfasser interpretieren ihren Befund nicht im Rahmen der Selektionstheorie, wie ich das hier gemacht habe, sondern gemäß der konventionellen Angebots-Nachfrage-Theorie.
Der grundsätzliche Unterschied zwischen diesen beiden theoretischen Gesichtspunkten bezieht sich auf den Markträumungsmechanismus:
Angebots-Nachfrage-Theorie. Diese Theorie betrachtet Arbeitsmärkte, bei denen die Arbeitsanbieter alle in gleicher Weise die Tätigkeit durchführen können. Wenn mehr Arbeitskräfte gesucht werden als vorhanden sind, werden die Unternehmungen mit erhöhten Lohngeboten um diese Arbeitskräfte konkurrieren. Wer jedoch arbeitet, ist für die Arbeitgeber gleichgültig, sei es deshalb, weil die Arbeitsleistung eines einzelnen Arbeitnehmers technisch vorgegeben is, wie etwa am Fließband, oder weil die Entlohnung strikt nach Leistung erfolgt, wie etwa bei den kalifornischen Erntehelfern nach Menge der geernteten Früchte oder in den vorindustriellen Bergwerken nach Menge der geschlagenen Kohle.
Selektionstheorie. Hier wird angenommen, dass die Unternehmungen sowohl mit Lohngeboten als auch mit Qualifikationsanforderungen auf Ungleichgewichte reagieren. Wenn also zu wenig Arbeitskräfte vorhanden sind um die vorhandenen Jobs zu füllen, werden die Unternehmungen höhere Löhne bieten und zugleich die Qualifikationsanforderungen senken. Umgekehrt werden sie bei einem Angebotsüberhang die Lohngebote senken und die Qualifikationsanforderungen erhöhen. Der Grund liegt in der Heterogenität der Arbeitskräfte. Die verschiedene Arbeitskräfte die für einen Job zur Verfügung stehen, sind zwar alle geeignet, den Job zu erledigen, sie können das aber unterschiedlich gut. (Es gibt unterschiedlich gute Verkäufer, unterschiedlich gute Ingenieurinnen, und so weiter. Die Unternehmungen sind nicht indifferent zwischen den verschiedenen Bewerbern, wie die Angebots-Nachfrage-Theorie stillschweigend unterstellt, sondern versuchen, bei Einstellungsgesprächen die besten Bewerberinnen herauszufiltern. Bei höheren Lohngeboten verbessert sich diese Auswahl. Das Lohngebot wird aber typischerweise nicht so stark gesenkt, dass gerade noch ein Bewerber für eine offene Stelle zur Verfügung steht. Der Markt wird also typischerweise nicht geräumt. Der Selektionseffekt führt zu einer Reihe von Regelmäßigkeiten bei der Lohnbildung, die in der einfachen Angebots-Nachfrage-Theorie keinen Platz haben, wie etwa höhere Löhnen in Ballungsgebieten, Firmengrößeneffekten und Industrieeffekten bei der Lohnbildung, Lohndiskriminierung und anderes.)
Die Selektionstheorie greift, wenn Heterogenität der Arbeitskräfte vorliegt, was gewiss bei Filmstars oder bei Managern zutrifft, aber auch für viele einfachere Arbeiten -- Verkäufer, Klempner, Schlosser, Bauarbeiter, Programmierer etc. -- gilt, da auch hier deutliche Leistungs- und Fähigkeitsunterschiede anzutreffen sind.
Die beiden Theorieansätze unterscheiden sich zudem diametral bezüglich der zu erwartenden Wirkung einer schärferen Besteuerung auf die Lohnungleichheit vor Steuern: Bei Selektionslöhnen wird sie reduziert. Wenn sich jedoch die Löhne gemäß dem Angebots-Nachfrage-Schema bilden würden, würde sich die Lohnungleichheit vor Steuern vergrößern. In einer gross angelegten OECD-Studie für ganze Wirtschaften - nicht nur für Spitzenverdiener, wurde gefunden, dass eine höhere Besteuerung die Lohnungleichheit vor Steuern reduziert. Dies steht im Einklang mit der Selektionstheorie (und allgemeiner auch der Effizienzlohntheorie) und legt nahe, dass diese nicht nur für Superstars und Spitzenmanager, sondern auch für viele andere Berufe von Bedeutung ist. Ich habe dies in einem früheren Blog besprochen.
Anmerkung
Die Selektionstheorie geht auf zwei Arbeiten von Melvin Reder zurück (hier und hier). Ich spreche deshalb auch oft in diesem Zusammenhang von "Reder-Wettbewerb", siehe hier.