Man könnte nun denken, dass zwar der Bundespräsident zu diesem erlauchten Kreis gehört, aber nicht notwendigerweise seine Gattin. Deshalb sollte die Präsidentengattin keine solchen Rabatte erhalten. Das ist aber juristisch gedacht und unter ökonomischem Gesichtspunkt nicht zutreffend, selbst für den Fall, dass die Präsidentengattin nicht zum Kreis der VIPs zu rechnen ist. Da Herr und Frau Wulff ihre Konsumentscheidungen gemeinsam fällen, würde die Preisstruktur, der sich die Familie Wulff gegenübersieht, verzerrt werden. wenn beide unterschiedliche Rabatte bekommen. Dies könnte sie zu ökonomisch ineffizienten Konsumentscheidungen veranlassen
Hier muss ich etwas grundsätzlicher werden. Er ist für Volkswirtschaftsstudenten im ersten Semester zwar leicht nachvollziehbar, für alle anderen Menschen aber schwerer zugänglich. Der Leser sollte mithin ggf. diesen Absatz überschlagen. Grundsätzlich gilt: In einer Marktwirtschaft sollen die Preisverhältnisse (das Verhältnis Preis Gut 1 zu Preis Gut 2) die relativen volkswirtschaftlichen Knappheiten, gemessen an den Opportunitätskosten, widerspiegeln. Wenn Herr Wulff für sein Privatauto einen höheren Rabatt bekommt als seine Frau (er mit VIP-Rabatt, sie ohne) ist das Auto für Herrn Wulff im Vergleich zum Auto für Frau Wulff.zu billig, oder Frau Wulffs Auto vergleichseise zu teuer. Die Haushaltsentscheidung könnte dann sein, dass ein Auto für Herrn Wulff statt eines Autos für Frau Wulff angeschafft wird, obgleich es volkswirtschaftlich besser sein könnte, wenn ein Auto für Frau Wulff gekauft würde und der (vermutlich positive) Differenzbetrag zum Auto von Herrn Wulff anderweitig ausgegeben würde.
Also, kurz gesagt: Die Preisverhältnisse, denen sich der Haushalt Wulff gegenübersieht, müssen den Preisverhältnissen am Markt entsprechen. Deshalb müssen auf alle Waren und Dienstleistungen die gleichen Rabatte gegeben werden. In Anbetracht der Rabatte für Frau Wulffs Garderobe sollten wahrscheinlich diese Rabatte beträchtlich höher sein als die Rabatte, von denen wir sonst gehört haben. Das gilt auch für reduzierte Zinsen und Sonderkonditionen. Auch diese sind aus volkswirtschaftlicher Sicht viel zu gering. Die Alternative wäre, überhaupt keine Rabatte für Mitglieder des Haushalts Wulff zu geben und die Besoldung des Bundespräsidenten entsprechend zu erhöhen. Auch das würde die Konsumentscheidung des Ehepaars Wulff richtig lenken. Es hätte den Vorteil, dass die Verhandlungskosten entfielen, die bei der Pflege der Freundschaften von Herrn Wulff für ihn entstehen, hätte aber den Nachteil höherer Belastung für den Steuerzahler.
All dies gilt unter der m.E. realistischen Annahme, dass der Arbeitseinsatz des Bundespräsidenten nicht von der Höhe des allgemeinen Präsidentenrabatts beeinflusst würde.
Zu der obigen Argumentation gibt es einige Einwände, manche weniger zutreffend, andere schwer zu widerlegen. Ich nenne hier nur zwei derartige Einwände.
- Man könnte einwenden, dass auch die Schwester von Herrn Wulff den Präsidentenrabatt bekommen sollte, da auch die Entscheidungen, die das Präsidentenehepaar und die Schwester von Herrn Wulff gemeinsam treffen, ansonsten verzerrt würden.
Dies ist aber kein wichtiger Einwand, da kein Anhaltspunkt für solche gemeinsamen Entscheidungen besteht. - Ein weiterer Einwand ist der folgende: Der Berliner Autohändler, der Frau Wulff eine günstige Finanzierung geboten hat, ist auf die Gästeliuste des Bundespräsidialamtes gesetzt worden. Ihm war der finanzielle Verzicht, der mit dem Rabatt verbunden war, offenbar weniger wert als diese Einladung. Insofern ist durch die Transaktion sowohl der Autohändler als auch das Ehepaar Wulff besser gestellt worden. Hätte man diese Transaktion verboten, so wäre für beide Parteien ein Nutzenverlust eingetreten. Da sie miteinander verhandelt haben, haben sie das gemeinsame Optimum erreicht, wie das Coase-Theorem besagt. Irgendwelche Eingriffe oder Vorgaben wären klar effizienzmindernd gewesen.
Dieser Einwand ist nur schwer zu widerlegen. Allerdings gibt es hier aber weitere Externalitäten, denn auch andere Bürger würden vermutlich gerne vom Bundespräsidenten eingeladen werden. Die ökonomisch optimale Lösung wäre hier eine Versteigerung der Einladungen.
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Übrigens muss ich als Ökonom doch etwas Anstoß daran nehmen, dass das Tätigkeitswort "wulffen" nur in zwei Bedeutungen verwendet wird, die ökonomisch nicht besonders relevant sind. Die Annahme von Sonderrabatten ist ökonomisch wesentlich wichtiger, aber die Sprachwissenschaftler übergehen hier wieder einmal den zentralen ökonomischen Aspekt. Das Verhalten der Bundeskanzlerin ist hier nicht besonders hilfreich, denn sie unterstützt doch recht undifferenziert das Wulffen an sich ohne zu sagen, auf welche Bedeutung sie sich bezieht. Diese Ambivalenz findet man auch bezüglich des Verbs "guttenbergen", was ja geistigen Diebstahl und Irreführung zusammen beinhaltet. Die Kanzlerin findet das tolerabel, Eigentumsdelikte sind jedoch für den Ökonomen grundsätzlich ein Problem. Das kann ich aber hier nicht im Einzelnen ausführen.
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