Freitag, 2. Dezember 2011

Regionale Lohnindexierung als Äquivalent zu anpassungsfähigen Wechselkursen im Euro-Raum

Wenn man die Lohnentwicklungen seit der Etablierung der Eurozone 1991 bis heute in verschiedenen Ländern vergleicht, ergibt sich ein dramatisches  Bild:

Quelle: Ameco

Die Lohnsteigerungen in Griechenland betrugen in diesem Zeitraum 237%, die Lohnsteigerungen in Deutschland dagegen 48%. Kein Wunder, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands verschlechtert hat und sich die Exportsituation Deutschlands (vor allem nach Europa) zunehmend verbessert.

Hätten wir den Euro nicht, sondern variable Wechselkurse, so wären derartige Fehlentwicklungen durch Marktkräfte korrigiert worden: Die griechische Währung wäre gegenüber der DM abgewertet worden und die griechische Wettbewerbsfähigkeit wäre auf diese Weise erhalten geblieben. Ähnliches ließe sich für die anderen Länder der Eurozone sagen.

Derartige Wechselkursänderungen waren vor der Einführung des Euro normal. Deutschland hatte stets geringere Lohnsteigerungen als die meisten anderen Länder (meiner Meinung nach wegen des Systems der Flächentarifverträge, aber die Ursache ist ja in diesem Zusammenhang egal). Entsprechend wurde die Deutsche Mark laufend gegenüber den anderen Währungen aufgewertet und massive Fehlentwicklungen der Art, wie wir sie jetzt sehen, wurden so korrigiert. Auf dieses Problem ist schon bei der Einführung des Euro nachdrücklich hingewiesen worden. Insbesondere Heiner Flassbeck hat wiederholt gewarnt.

Nun soll die Lohnentwicklung in Griechenland über Arbeitslosigkeit gedämpft werden (Schröder-Therapie). Das ist ökonomisch (und moralisch) außerordentlich fragwürdig -- aber das ist ein anderes Thema.

Gehen wir einfach davon aus, dass die Lohnentwicklungen aufgrund der institutionellen Unterschiede in den verschiedenen Ländern unterschiedlich ausfallen. Müssen wir dann den Euro aufgeben?

Die Antwort ist ein klares "Nein!" Wir können recht einfach die Wirkung variabler Wechselkurse in der Eurozone simulieren, wenn wir festlegen, dass alle Arbeitsverträge in einer lokalen Recheneinheit abzuschließen sind. (Den Vorschlag habe ich 1995 gemacht.) Nennen wir die Recheneinheit, in der Arbeitsverträge abgeschlossen werden müssen, für Griechenland  Drachme,  für Frankreich Franc, usw. Die Wechselkurse dieser Rechnungseinheiten zum Euro werden durch eine Europäische Institution festgelegt. Die Löhne werden dann nach entsprechender Umrechnung in Euro gezahlt. Die einheitliche Währung bleibt erhalten und die Kostensituation in den verschiedenen Euro-Regionen wird angeglichen, auch ohne die (schwer zu erreichende) Vereinheitlichung der Arbeitsmärkte. Arbeitslosigkeit zur Lohnkontrolle wird überflüssig. So kann das erreicht werden, was gegenwärtig durch Arbeitslosigkeit bewirkt werden soll, nur ohne Arbeitslosigkeit. (Genaueres dazu in meinem Vorschlag von 1994 zur Bekämpfung der Stagflation .
Der Gedanke lässt sich aber allgemein auf Fehlentwicklungen in Arbeitsmärkten anwenden, die von der dezentralen Lohnsetzung herrühren.)

Die Regionen für die verschiedenen Lohneinheiten sollten sich dabei nicht an Ländergrenzen, sondern an ökonomischen Gesichtspunkten orientieren. In Italien könnte es beispielsweise eine Nord-Lira und ein Süd-Lira geben, oder in Deutschland eine West-Mark und eine Ost-Mark. Auf diese Weise könnten regionale Disparitäten, etwa zwischen Norditalien und Süditalien, ausgeglichen werden, die ungeachtet aller Vereinheitlichungen und Flexibilisierungen fortbestehen und große ökonomische und soziale Kosten verursachen.



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