Greg Mankiw ist ein bekannter Makroökonom. Er ist Professor in
Harvard und war Vorsitzender des "Council of Economic Advisors" des
Präsidenten George W. Bush. Er wird zu den "Neokeynesianern" gerechnet.
Sein Hund heißt Maynard (nach John Maynard Keynes). Er hat ein schönes Lehrbuch zur Makroökonomik für Anfänger geschrieben, das ich früher gerne verwendet habe (allerdings nicht als alleinige Literatur).
Mankiw hat die erhöhte
Staatsverschuldung unter George W. Bush verteidigt, m.E. mit
zutreffenden Argumenten, wenngleich die Staatsverschuldung zu jener Zeit, wie so
oft, wesentlich durch Kriegskosten getrieben war, aber das ändert an der ökonomischen Argumentation nur wenig.. (Auch Ricardo hatte ja
dieses Thema unter dem Gesichtspunkt der Kriegskostenfinanzierung
behandelt.) Unter Bush haben viele demokratisch orientierte Ökonomen,
die nunmehr die Staatsverschuldungspolitik von Obama als unzureichend
bezeichnen (was ich ebenfalls für richtig halte), die Staatsverschuldung
unter Bush heftig angegriffen.
In einem einem kürzlich erschienen Artikel in der New York Times
kritisiert nunmehr Mankiw die Politik von Obama mit dem Argument, dass
Obama sich nicht damit begnügen sollte, die Schuldenquote (das Verhältnis
von Staatschuld zu Bruttoinlandsprodukt) zu stabilisieren, er müsse
vielmehr diese Quote laufend reduzieren, weil Krisen wie Kriege oder
Konjunktureinbrüche zusätzliche Staatsverschuldung erforderlich machen
würden; schließlich könne sich der Staat nicht beliebig verschulden.("der
Staat kann sehr lange Schulden auflaufen lassen, kann aber nicht
verrückt spielen.")
Diese Überlegungen illustrieren
recht schön die Art der gegenwärtigen Debatte, die man vielleicht als
"Quotenfetischmus" bezeichnen könnte.
Quotenfetischmus
deshalb, weil immer wieder auf die Schuldenquote (das Verhältnis von
Staatschuld zu Bruttoinlandsprodukt) abgestellt wird ohne dass es einen
vernünftigen Grund dafür gibt, diese Maßzahl zu betrachten. Mankiw
selbst verteidigt die Verwendung dieser Maßzahl ebenfalls nicht sondern
beschränkt sich auf den völlig zutreffenden Hinweis: "Eine Maßzahl, die
Ökonomen oft verwenden um die fiskalische Situation zu bewerten ist die
Schuldenquote."
Es gibt aber überhaupt kein
stichhaltiges Argument warum die Schuldenquote irgendeine Aussagekraft
haben sollte. Wenn der Staat, statt Schulden aufzunehmen, Staatsbesitz
verkauft aus dessen Ertrag er die Schulden hätte tilgen können, fällt zwar die Schuldenquote, aber der wirtschaftliche Spielraum des Staates
wird geringer; ansonsten ändert sich nichts. Außerdem lässt sich zeigen dass die Schuldenquote umso höher sein muss, je geringer das Verhältnis von Staatsausgaben zu Bruttoinlandsprodukt ist. wenn die Staatseinnahmen und Staatsausgabe optimal gesteuert werden, so wie es aus Sicht der funktionalen Finanzpolitik geboten wäre.
Tatsächlich
sind die Schuldenquoten in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich.
Es gibt keinen ökonomischen Gesichtspunkt, unter dem eine Schuldenquote von Null zu empfehlen wäre -- außer dass man von vornherein die Annahme trifft, daß die Wirtschaft dann optimal funktioniert. Das wäre aber nur zufällig denkbar.
Eigentlich gibt es nur zwei Gesichtspunkte, unter denen etwas über die Schuldenquote gesagt werden kann. Der erste Gesichtspunkt ist der, der früher im Grundgesetz so formuliert war, dass die Nettokreditaufnahme die Investitionen nicht übersteigen sollte. Die Begründung ist, dass der Schuldendienst für diese Kredite entsprechend dem Nutzen aus den Investionen verteilt sein sollten und dass der Nutzen der Investitionen, der über viele Jahre erfolgt, den Schuldendienst finanziert. Nutzen und Kosten einen öffentlichen Investition werden so miteinander synchronisiert. Verbietet man Staatsschulden so erreicht man, dass die gegenwärtige Generation die Kosten der öffentlichen Investitionen trägt die zukünftige Generationen nutzen -- geradezu ein Rezept zur Unterdrückung notwendiger öffentlicher Investitionen.
Diese Überlegung beruht aber auf der stillschweigenden Annahme, dass Angebot und Nachfrage auf dem Gütermarkt zum richtigen Zins geräumt werden. Das ist allokationstheoretisch problematisch, aber oft (wie gegenwärtig bei einem Zinsniveau von praktisch Null) nicht realisierbar. In diesem Fall muß die Gütermaktsteuerung (und damit Steuerung der Beschäftigung) durch Steuersenkungen und/oder Staatsaugabenerhöhungen erfolgen. Welche Schuldenquote sich dabei ergibt ist völlig gleichgültig. Es geht um die richtige Steuerung der realwirtschaftlichen Abläufe. Fiskalische Guthaben- und Schuldenpositionen ergeben sich entsprechend. Sie stellen keinen Selbstzweck dar.
Die sogenannte Ricardianische These, dass die Verschuldungspolitik gleichgültig sei, wird aber paradoxerweise oft als Argument gegen Staatsverschuldung angeführt und bildet bei manchen wohl auch die Grundlage für eine Unterstützung der Maastricht-Kriterien und der Schuldenbremse. Hier hat der Quotenfetischismus absolut, ja geradezu überirdisch, triumphiert. Damit wird eine sinnvolle Konjunkturpolitik ausgeschlossen. Mankiw treibt es (vernünftigerweise) nicht so weit, seine Empfehlungen sind aber dennoch theoretisch nicht begründbar.
Am 16.8.2021 den Beginn des letzten Absatzes korrigiert. Statt "Die sogenannte Ricardianische These, dass die Verschuldungspolitik gleichgültig sei, ist falsch, wird aber..." heißt es nun einfach "Die sogenannte Ricardianische These, dass die Verschuldungspolitik gleichgültig sei, wird aber. Hintergrund: Siehe https://epub.ub.uni-muenchen.de/17249/.
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