In einem sehr lesenswerten
Interview begründet Peter Bofinger seine These die lautet:
Ich glaube nicht, dass die Agenda 2010 der deutschen Gesamtwirtschaft sehr geholfen hat.
Ich stimme ihm zu und meine sogar, dass die Agenda 2010 der deutschen Gesamtwirtschaft über alles gerechnet geschadet hat - wegen schlechter Allokations- und Verteilungseffektemit langfristigen nachteiligen Konsequenzen . Ich werde das gelegentlich mal erläutern. Aber hier einige Auszüge aus Bofingers Interview:
.....
Aber spricht nicht die Logik dafür, dass die Hartz-Reformen
viele Menschen in Arbeit gebracht haben? Schließlich erhöhten sie den
Druck auf die Arbeitslosen, auch schlechtere Stellen anzunehmen.
So einfach funktioniert das nicht. Bräuchte man nur mehr Druck auf die
Arbeitslosen, um eine gute Beschäftigungsentwicklung zu bekommen, dann
müssten die Arbeitsmärkte in Griechenland und Italien boomen. Dort
erhält man spätestens nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nämlich nichts
mehr. Hartz 0. ....
Ökonomen loben die Hartz-Reformen aber auch noch für ihren
indirekten Effekt: Der Druck auf die Arbeitslosen hat die Arbeitnehmer
zu Zugeständnissen beim Lohn motiviert. Aus Furcht vor Hartz IV haben
sie Lohnzurückhaltung geübt, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Diese
Lohnzurückhaltung wiederum hat die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig
gemacht und einen Exportboom ermöglicht, der wiederum den Aufschwung
eingeleitet hat.
Tatsächlich war die Lohnzurückhaltung für die deutsche Wirtschaft
bedeutsam. Nur: Sie war gar kein Effekt der Hartz-Reformen, sondern
begann lange vorher, nämlich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre.
Damals verzichteten die deutschen Gewerkschaften bewusst auf reale
Lohnerhöhungen, um über diesen Verzicht Arbeitsplätze zu erhalten.
International war diese Gewerkschaftsstrategie wohl einzigartig. In der
Folge weitete sich der Niedriglohnsektor bis 2004 deutlich aus – ganz
ohne Hartz-Reformen.
Für die deutsche Wirtschaft hat sie sich gelohnt.
Nicht unbedingt. Zwar profitierte die Exportwirtschaft. Die
Lohnzurückhaltung bescherte Deutschland allerdings eine jahrelange
Stagnation der Binnenwirtschaft.
Viele Ökonomen und Politiker fordern von den anderen
Euro-Staaten, dem deutschen Vorbild zu folgen: Sparsamkeit,
Lohnzurückhaltung für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Auch von Frankreichs
neuem Präsidenten Emmanuel Macron wird ein „Schröder-Moment“ erwartet.
Deutschland ist kein Vorbild. Die deutsche Strategie der relativen
Lohnsenkung hat nur funktioniert, weil die anderen Staaten sie nicht
mitgemacht haben. Nur weil sie keine Sparsamkeit und Lohnzurückhaltung
geübt haben, konnte Deutschland seine relative Wettbewerbsposition
verbessern und von der ausländischen Nachfrage profitieren.
Und wenn das jetzt alle machen würden?
Wenn alle Euro-Staaten die Löhne senken um wettbewerbsfähiger zu werden,
dann ist das ein Nullsummen-Spiel, bei dem keiner gewinnt....
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