Sonntag, 13. August 2017

Agenda 2010

In einem sehr lesenswerten Interview begründet Peter Bofinger seine These die lautet:
Ich glaube nicht, dass die Agenda 2010 der deutschen Gesamtwirtschaft sehr geholfen hat.
Ich stimme ihm zu und meine sogar, dass die Agenda 2010 der deutschen Gesamtwirtschaft über alles gerechnet geschadet hat - wegen schlechter Allokations- und Verteilungseffektemit langfristigen nachteiligen Konsequenzen . Ich werde das gelegentlich mal erläutern. Aber hier einige Auszüge aus Bofingers Interview:
.....
Aber spricht nicht die Logik dafür, dass die Hartz-Reformen viele Menschen in Arbeit gebracht haben? Schließlich erhöhten sie den Druck auf die Arbeitslosen, auch schlechtere Stellen anzunehmen.
So einfach funktioniert das nicht. Bräuchte man nur mehr Druck auf die Arbeitslosen, um eine gute Beschäftigungsentwicklung zu bekommen, dann müssten die Arbeitsmärkte in Griechenland und Italien boomen. Dort erhält man spätestens nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nämlich nichts mehr. Hartz 0.   ....
Ökonomen loben die Hartz-Reformen aber auch noch für ihren indirekten Effekt: Der Druck auf die Arbeitslosen hat die Arbeitnehmer zu Zugeständnissen beim Lohn motiviert. Aus Furcht vor Hartz IV haben sie Lohnzurückhaltung geübt, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Diese Lohnzurückhaltung wiederum hat die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig gemacht und einen Exportboom ermöglicht, der wiederum den Aufschwung eingeleitet hat.
Tatsächlich war die Lohnzurückhaltung für die deutsche Wirtschaft bedeutsam. Nur: Sie war gar kein Effekt der Hartz-Reformen, sondern begann lange vorher, nämlich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Damals verzichteten die deutschen Gewerkschaften bewusst auf reale Lohnerhöhungen, um über diesen Verzicht Arbeitsplätze zu erhalten. International war diese Gewerkschaftsstrategie wohl einzigartig. In der Folge weitete sich der Niedriglohnsektor bis 2004 deutlich aus – ganz ohne Hartz-Reformen.

Für die deutsche Wirtschaft hat sie sich gelohnt.
Nicht unbedingt. Zwar profitierte die Exportwirtschaft. Die Lohnzurückhaltung bescherte Deutschland allerdings eine jahrelange Stagnation der Binnenwirtschaft.
Viele Ökonomen und Politiker fordern von den anderen Euro-Staaten, dem deutschen Vorbild zu folgen: Sparsamkeit, Lohnzurückhaltung für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Auch von Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron wird ein „Schröder-Moment“ erwartet.
Deutschland ist kein Vorbild. Die deutsche Strategie der relativen Lohnsenkung hat nur funktioniert, weil die anderen Staaten sie nicht mitgemacht haben. Nur weil sie keine Sparsamkeit und Lohnzurückhaltung geübt haben, konnte Deutschland seine relative Wettbewerbsposition verbessern und von der ausländischen Nachfrage profitieren.

Und wenn das jetzt alle machen würden?
Wenn alle Euro-Staaten die Löhne senken um wettbewerbsfähiger zu werden, dann ist das ein Nullsummen-Spiel, bei dem keiner gewinnt....


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