Extreme Vorsicht bei Umverteilungsmaßnahmen -- und mithin Tatenslosigkeit in dieser Hinsicht -- ist wohl in vielen Fällen nicht sinnvoll. Im Durchschnitt, über die Zeit und viele Länder hinweg, haben die typischen Umverteilungsmaßnahmen nicht zu schlechten Wachstumsergebnissen geführt, außer vielleicht in Extremfällen. Die damit bewirkte Reduktion der Ungleichheit hat, über die ethischen, politischen und übergreifenden sozialen Gesichtspunkte hinaus, besseres und robusteres Wachstum unterstützt,In Einzelnen bemerken sie:
Erstens findet in Gesellschaften mit mehr Ungleichheit mehr Umverteilung statt. …
Zweitens ist geringere Ungleichheit deutlich mit schnellerem und dauerhafterem Wirtschaftswachstum korreliert. …
Drittens scheint die Umverteilung im allgemeinen wachtumsfördernd zu sein, nur in Extremfällen könnten direkte negative Wirkungen vorliegen.
Die direkten und indirekten Wirkungen von Umverteilungsmaßnahmen einschließlich des positiven Einflusses geringerer Ungleichheit sind im Schnitt wachstumsfördernd.
Diese Schlussfolgerungen erscheinen mir insgesamt recht plausibel. Dennoch
hege ich große Skepsis bezüglich der vorgelegten Analyse.
Der
Grund für meine Skepsis liegt darin, daß die Autoren explizit
annehmen, die im Markt (vor Steuern) beobachtete Ungleichheit
sei nicht von der Besteuerung beeinflusst. Ich denke aber, dass dem
nicht so ist. Eine höhere Progressivität der Einkommensbesteuerung
(also mehr Umverteilung) geht mit einer geringeren Ungleichheit vor
Steuern
einher, wie ich in einem früheren Artikel
dargelegt habe.
Aber
selbst wenn man von diesem Problem absieht ist es abwegig, die
Umverteilung durch die Differenz zwischen Ungleichheit vor Steuern
und Ungleichheit nach Steuern zu messen, wie die Verfasser dies tun.
Das führt zu Fehlschlüssen, wie man sich leicht überlegen kann:
Bei
gleichem Steuersystem in zwei sonst gleichen Ländern wird, wenn man so misst, in dem Land mit der größeren Ungleichheit vor Steuern mehr
umverteilt als in dem Land mit der geringeren Ungleichheit. Das
Umverteilungssystem ist jedoch in beiden Ländern gleich, nur ist es
so, dass in dem Land mit der größeren Gleichheit weniger umverteilt
wird – bei dem gleichen System der Umverteilung. Deshalb kommen die
Verfasser zu dem m.E. irrigen Schluss, dass in Ländern mit größerer
Ungleichheit mehr umverteilt wird (ihre These 1). Die Umverteilung
sollte man besser durch die Progressivität des Steuer- und
Sozialsystems messen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen