So hat die Ungleichheit der Einkommen gemessen am Gini-Koeffizienten seit Beginn der 1990er-Jahre lediglich moderat zugenommen.Das verwundert. Der Rat hatte für diese Frage bessere Daten als das Sozio-ökonomische Panel zur Verfügung, das dem No-response measurement error unterliegt, da es auf freiwilligen Auskünften beruht. Der Sachverständigenrat hatte nämlich selbst von Bernd Fitzenberger eine Expertise zur Entwicklung der Lohnungleichheit in Deutschland erstellen lassen, die auf den wesentlich vollständigeren und genaueren Daten der Besachäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit aufbaut. Hier zeigt sich eine dramatische Zunahme der Lohnungleichheit in Deutschland. Vergleicht man die Entwicklung der Durchschnittverdienste der geringer verdienenden mit denen der höher verdienenden so ergibt sich aufgrund der Daten auf S. 27 folgendes Bild:
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Entwicklung der höheren Löhne (80. Perzentil) und der niedrigeren Löhne (10. Perzentil) in Deutschland Quelle |
Die obere Kurve gibt dabei die Entwicklung der Reallöhne in Deutschland bei den besserverdienenden (80. Perzentil) und die untere Kurve bei den geringer verdienenden (20. Perzentil) ganztags sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Reallohne sind in der einen Gruppe innerhalb der letzten fünfzehn Jahren um knapp zehn Prozent gestiegen, die in der anderen Gruppe um knapp zehn Prozent gefallen. (In Fitzenbergers Expertise finden sich übrigens eine Reihe von sehr detaillierten Darstellungn.)
Unter einem Perzentil ist folgendes zu verstehen. Man reiht alle Lohnempfänger nach der Größe ihres Lohnes. Der Lohn, unter dem gerade den 10% der Beschäftigten verdienen, gibt das 10. Perzentil, der Lohn, unter dem gerade 20% verdienen gibt das 20. Perzentil und so weiter. Mithin gibt das 80. Perzentil den Lohn, unter dem 80% verdienen.
Die Besserverdienenden hatten von 1995 bis 2010 eine Reallohnsteigerung von kanpp 10%, die geringer verdienenden eine Reallohnsenkung um knapp 10 Prozent.
Anders ausgedrückt: Das Verhältnis der Durchschnittslöhne der Besserverdienenden (80. Perzentil) zu den Durchschnittslöhnen der geringer verdienenden (20. Perzentil) hat sich in der Zeit von 1995-2010 von 1,92 auf 2,32 kontinuierlich erhöht:
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Zunahme der Lohnungleichheit (80 zu 20. Perzentil) in Deutschland. Quelle |
Die Expertise von Fitzenberger war dem Sachverständigenrat nicht unbekannt. Er zitiert sie im Zusammenhang mit Mindestlöhnen:
Ein Mindestlohn von 8,50 Euro würde vor allem Arbeitnehmer in Ostdeutschland, inEs ist bemerkenswert, daß Fitzenbergers Studie so selektiv herangezogen wird: Die Ergebnisse werden nur dort verwendet, wo sie passen (Warnung vor Mindestlöhnen), aber dort übergangen, wo sie ein unerwünschtes Bild zeichnen (Zunahme der Ungleichheit).
kleinen Betrieben, in konsumnahen Wirtschaftszweigen und insbesondere diejenigen mit geringer Qualifikation betreffen. ... Diese Befürchtung wird durch die Kennzahlen zur Lohnstruktur in Deutschland aus der im Auftrag des Sachverständigenrates für das Jahresgutachten 2012 erstellten Expertise untermauert (Fitzenberger, 2012).
Im übrigen ist in Zeiten geringer werdender Arbeitslosigkeit eine Abnahme der Ungleichheit zu erwarten. Es stimmt aber bedenklich, wenn bei abnehmender Arbeitslosigkeit dennoch das Armutsrisiko zunimmt, wie der DGB in seiner Stellungnahme zum Armutsbericht dargelegt hat:
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Arbeitslosenquote (rot), Armutsrisikoquote (oben) und dauerhafte Armut (unten) Quelle |
Nachtrag (22.11.2013) Stefan Dudey hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß es statt "sozialhilfepflichtig" "sozialversicherungspflichtig" heißen mußte. Ich habe das im Blog korrigiert. Vielen Dank!
Nachtrag (28.11.2013) Ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß meine Erklärung der Perzentile in der ersten Fassung falsch war. Ich habe das oben korrigiert.