Donnerstag, 2. Juli 2015

Paul Krugman würde gegen das Angebot der Institutionen stimmen

Paul Krugman:
Ich würde nein stimmen, aus zwei Gründen. Erstens, und ungeachtet dessen dass jeder wie ich selbst auch Angst vor ein Ausstieg aus dem Euro hat, fordert die Troika dass die Politik der letzten fünf Jahre unbegrenzt fortgesetzt wird. Welche Hoffnung bleibt da noch? Vielleicht, wirklich nur vielleicht, könnte die Bereitschaft, den Euro aufzugeben ein erneutes Nachdenken anstoßen; aber wahrscheinlich eher nicht. Aber wie dem auch sei, eine Abwertung kann nicht mehr Chaos bringen als bereits existiert und würde den Weg für eine wirtschaftliche Erholung vorbereiten, wie anderswo. Griechenland ist nicht so anders.
Zweitens sind die politischen Wirkungen einer Zustimmung ausgesprochen beunruhigend. Die Troika hat einen umgekehrten Corleone hingelegt - sie haben Tsipras ein Angebot gemacht das er nicht annehmen konnte, und wahrscheinlich waren sie sich dessen voll bewusst. Insofern war das Ultimatum letztlich ein Schachzug mit dem Ziel, die Griechische Regierung zu stürzen und durch eine neue zu ersetzen. Selbst wenn man Syriza nicht mag, muss das für jeden befremdlich sein der  europäische Ideale vertritt.
Ich muss sagen dass ich diese Position schlüssig finde und dass ich ebenso mit nein stimmen würde, wäre da nicht das von Juncker in Aussicht gestellte Konjunkturprogramm und die Strukturhilfen von 32 Milliarden Euro über 4 1/ Jahre aus dem Regional-und Strukturfonds, von denen Krugman möglicherweise nichts weiß. Ich denke deshalb, dass ein Ausstieg Griechenlands kurzfristig wesentlich schmerzhafter für Griechenland wäre als ein Verbleib mit Austerity, aber mit diesem Konjunkturprogramm und diesen Strukturhilfen. Das wäre dann, jedenfalls bei Erfolg, ein Muster auch für die anderen Länder, denen man dann auf gleiche Weise helfen müsste. Deshalb würde ich mit ja stimmen, auch wenn dies die langfristigen Probleme nicht löst. Aber vielleicht findet sich dafür, nachdem das klar ist, auch eine Lösung.

8 Kommentare:

  1. Sie haben die Austeritätskur, die Griechenland von der Troika aufgezwungen wurde, mit Recht als ökonomisch abwegig kritisiert. Sie haben unsere Minister kritisiert, die Wasser predigen und selbst Wein trinken, indem sie versuchen, die ökonomisch deutsche Schuldenbremse durch Privatisierung der Infrastruktur zu umgehen, und nebenbei Versicherungen und Banken zu bereichern. Die Troika hat das BIP Griechenlands in 5 Jahren um ca. 25% reduziert und die Arbeitlosenquote von ca. 10 auf ca. 25% hochgetrieben. Denken Sie im Ernst, dass das Personal, das diese Entwicklung gesteuert hat, ohne die geringsten Selbstzweifel zu entwickeln, in den kommenden Jahren Politik treiben wird, die dem griechischen Volk nützt?
    Der IWF hat in 2010 für 2014 eine ALQ von unter 10% prognostiziert. Nachdem sie schon in 2011 auf ca. 18% gestiegen war, hat er für 2014 18% prognostizert. Tatsächlich betrug sie 2014 über 25%. Ich sehe nur zwei mögliche Interpretationen für das Verhalten der IWF-Verantwortlichen: Entweder sie glaubten an diese Prognosen. Dann sind sie haarsträubend inkompetent und fehlplatziert. Andernfalls haben sie Griechenland sehenden Auges in ein ökonomisches Schlachtfeld verwandelt, und die Rückzahlung der Kredite in immer weitere Ferne gerückt.
    Sorry, aber es ist m.E. extrem naiv, darauf zu vertrauen, dass dieses Polit-Personal irgendetwas zum Besseren wenden wird.

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    1. Der IWF sieht, ebenso wie Hans-Werner Sinn und Paul Krugman, keine andere Möglichkeit zur Wiederherstellung von Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit als diese extrem schmerzhafte interne Devaluation. Deshalb befürworten Hans-Werner Sinn und Paul Krugman den Grexit. Wenn es nur diese beiden Alternativen - Austerity oder Grexit - gäbe würde ich dem zustimmen. Ich habe aber als bessere Möglichkeit regionale Lohnindexierung vorgeschlagen. Das würde die Notwendigkeit hinfällig machen, Länder und Regierungen in der Euro-Zone zu disziplinieren.
      Ich würde allerdings den Leuten vom IWF nicht den guten Willen absprechen. Sie haben wiederholt einen Schuldenschnitt für Griechenland befürwortet und auch wiederholt kritisiert, dass Deutschland über seine Sparpolitik Lohndumping betreibt und den Euro von dieser Seite gefährdet. Aber immerhin: Dass Juncker von Konjunkturpolitik spricht ist bemerkenswert. Das wäre vor einem Jahr undenkbar gewesen. Auch dass Schäuble und Dobrindt die Schuldenbremse umgehen wollen und das Junker auf europäischer Ebene ähnliches anstrebt (und damit frühere Vorschläge von Galbraith und Varoufakis aufgreift) zeigt, dass sich die Problematik der Austeritätspolitik allmählich herumspricht - übrigens in Deutschland auch bei einigen führenden Theoretikern.
      Wegen der starken Importabhängigkeit Griechenlands (z.B. bei Nahrungsmitteln) dürfte ein Grexit aber kurzfristig extrem schmerzhaft sein. Andrerseits würde ein Konjunkturprogramm und Strukturhilfen zu Beschäftigungssteigerungen und höheren Steuereinnahmen führen. Der Euro bleibt aber eine Fehlkonstruktion, wenn er nicht durch eine Fiskalunion und - m.E. sogar noch wichtiger - durch vereinheitlichte Arbeitsmarktstrukturen ergänzt wird. Letzteres ist kaum zu erreichen. Deshalb bleibt auf den Dauer nur regionale Lohnindexierung oder ähnliches.

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  2. Ich war bisher tief beindruckt, dass Sie das Verhalten von Politikern nicht persönlich oder moralisch bewertet haben, auch dann nicht, wenn deren Politik nach Ihrer fachlichen Bewertung grundsätzlich falsch und abwegig war. Umso frustrierender ist, dass Sie bei Tsipras und Varoufakis von dieser Linie abweichen: "Tsipras will gar keine Einigung, schert sich einen Dreck um die griechischen Renten..." Auch wenn Sie den zitierten Satz nur als mögliche Interpretation behandeln. Schon bei der Wortwahl fehlt die Nüchternheit, die ich sonst bei ihren Posts sehe. Ich würde hier um gleiches Recht für alle bitten.
    In Ihrer Antwort auf meinen Post suchen Sie auch noch nach Sinn und gutem Willen in Schäubles und Dobrindts Versuchen, die Schuldenbremse zu umgehen. Und das, obwohl Schäuble als Schuldenbremsen-Dogmatiker unterwegs ist. Das können Sie doch nicht ernst meinen?

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    1. Es ging nicht um den Sinn und guten Willen bei Schäuble und Dobroindt. Schäuble ist Jurist und denkt, dass er die Schuldenbremse nicht verletzt wenn er sie umgeht. Er wird sein Vorgehen nicht einmal als Umgehung sehen. Ich habe das lediglich als Symptom dafür angeführt, dass die Schuldenbremse in verschiedenen Dimensionen bröckelt. Sie hat aber wohl (leider) die volle Unterstützung der Wähler.
      Im Übrigen halte ich Schäuble, auch und gerade weil er wohl Überzeugungstäter ist, mit seinem Dogmatismus für eine Katastrophe für Deutschland und Europa.
      Bei Tsipras bin ich skeptisch. Mir scheint mehr und mehr, dass er einen Grexit anstrebt. Das wäre O.K., Es wäre aber nicht O.K. wenn er das seinen Wählern gegenüber nicht deutlich macht. Ansonsten: Die nationale Ehre ins Spiel zu bringen um seine Verhandlungspartner moralisch zu erpressen und zugleich den griechischen Volkszorn anzuheizen erscheint mit ebenso problematisch wie eine Abstimmung anzusetzen und zu erklären, dass es nicht darum geht zu erfahren wie das Volk denkt, sondern darum, die eigene Verhandlungsposition zu stärken.

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    2. Warum halten Sie Schäuble für einen Überzeugungstäter, warum sind Sie bei Tsipras immer nur skeptisch und stellen alle möglichen Vermutungen an? Warum unterstellten Sie Schäuble nicht, dass er einen Grexit anstrebt oder seit Jahren für wahrscheinlich hält und trotzdem unsere Steuergelder versenkt, um deutschen Banken und Anlegern Zeit zu geben, sich aus der Affäre zu ziehen? Könnten Sie nicht einfach bei den Fakten bleiben, die Sie als Ökonom kennen und verstehen? - Nur um sicher zu gehen, dass Sie als neutrale Instanz wahrgenommen werden.
      Noch ein Satz, der m.E. unbewusst Propaganda treibt: "Sie hat aber wohl (leider) die volle Unterstützung der Wähler." Mag sein. Ich halte es für eine massive Zumutung, den Wählern auch noch die Verantwortung für dieses unsinnige Treiben in die Schuhe zu schieben. Was bleibt den Wählern denn anderes übrig, als zu glauben, was sie aus den Medien unter dem Deckmantel wirtschaftswissenschaftlicher Expertise präsentiert bekommen? Krugman sieht ganz richtig, dass da mächtige Interessengruppen am Werk sind.

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  3. OK, der IWF hat zuletzt einen Schuldenschnitt gefordert. Juncker und Schäuble aber noch nicht. Trotzdem: Der IWF ist lange genug in diesem Gewerbe tätig. Wer die Daten kennt und moderate Sachkenntnis hat, hätte schon vor 2-3 Jahren sehen müssen, dass eine Rückzahlung der Kredite in absehbarer Zeit aussichtslos ist. Wie erklären Sie sich, dass die Experten des IWF so lange gebraucht haben?

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    1. Ein Entgegenkommen eines unvernünftigen Wunsches der Europäer. Im IWF war dies wohl eine politische Entscheidung mit starker interner Opposition - keine Entscheidung der IWF-Technokraten.

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    2. Das ist in diesem Zusammenhang ganz interessant:
      http://mainlymacro.blogspot.de/2015/07/greece-and-political-capture-of-imf.html

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